Wer ist schuld am Übergewicht?

Adipositas: Es ist nicht Deine schuld!

Die New York Times berichtet in einem Artikel vom 21.11.2021 (Paywall) über einen Kongress in London, bei dem Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen versucht haben, die Ursachen der „Adipositas-Pandemie“ zu ergründen. Bereits im Oktober 2022 trafen sich in London Wissenschaftler zu einer Diskussion mit dem Ziel, mehr über die Ursachen der weltweiten Ausbreitung des massiven Übergewichtes heraus zu finden. Um es kurz zu machen: Man ist sich nur in einer Sache einig: Es ist kein Zeichen des persönlichen Versagens!

Fettleibigkeit wurde von der WHO als die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit beschrieben. Fettleibigkeit ist offensichtlich eine Frage der Energiebilanz (mehr Kalorien essen als Kalorien verbrauchen). Es gibt unter den Wissenschaftlern allerdings erstaunlich wenig Einigkeit darüber, wie es zu diesem Energieungleichgewicht kommt. In einem allerdings sind sich die Wissenschaftler einig: Der Grund für Fettleibigkeit ist nicht persönliches Versagen. Die Adipositas-Pandemie begann vor ca. 40 Jahren. Seit Mitte der 70er/Anfang der 80er Jahre zeigen die Statistik einen deutlichen Anstieg bei den Zahlen adipöser Menschen. Und niemand behauptet, dass die Menschen in den 1980er Jahren kollektiv ihre Willenskraft verloren haben und beschlossen, ab sofort faul und gefräßig zu werden.

Ultraverarbeitete LebensmittelWas auffällt ist, dass es zur gleichen Zeit eine Veränderung in der Lebensmittelindustrie gab. Es entstand eine neue Art von Lebensmitteln: Die ultra-verarbeiteten Lebensmittel („ultra processed food“). Lebensmittelverarbeitung ist schon tausende oder gar Millionen Jahre alt: Garen, braten und salzen zum haltbar machen sind Formen der Lebensmittelverarbeitung. Später kamen modernere Verfahren dazu wie z. B. das Pasteurisieren. Vor gut 40 Jahren wurden neue Verfahren entwickelt, die eine ganz neue Klasse von Lebensmitteln möglich machen. Durch diese Verfahren können Kombinationen erzeugt werden, die in der Natur eigentlich nicht vorgesehen sind. Zum Beispiel Fett- und Kohlehydratreich. Lebensmittel sind von Natur aus entweder sehr fetthaltig oder kohlehydrathaltig. Die Kombination aus beidem führt zu einer deutlichen Steigerung der Attraktivität und spricht Instinkte an. Auch werden durch diese technischen Verfahren Lebensmittel so „Designed“, dass sie sich angenehm im Mund anfühlen oder hat einfach gut schmecken. Zusatzstoffe sorgen für eine schnellere Passage aus dem Magen und somit für ein nur kurzes Sättigungsgefühl. All diese Faktoren begünstigen eine deutlich höhere Kalorienaufnahme als eigentlich notwendig. Und wenn dann genetische Faktoren auch noch die Anfälligkeit für ein solch übermäßiges Essen erhöhen, kann sich daraus ein ungesunder Teufelskreis ergeben.

Leider gibt es von Natur aus keine Mechanismen, die eine zu hohe Kalorienaufnahme verhindern. Der Mensch lebt eigentlich immer in der Gefahr, nicht genug Essen zu bekommen. Dass wir nicht von einer Hungersnot in die nächste fallen, ist eine echte Errungenschaft der Neuzeit. Bis vor gut hundert Jahren war es in unserer Gesellschaft ein Überlebensvorteil, viel zu essen zu bekommen. Der Körper der Menschen hat sich der neuen, ständigen Verfügbarkeit noch nicht angepasst. Solche Anpassungsprozesse dauern allerdings normalerweise auch mehrere zehntausend Jahre.

Warum werden dann nicht alle dick?

Genau wie beim Rauchen oder bei anderen „Drogen“ werden nicht alle Süchtig, die Kontakt zu den entsprechenden Stoffen haben. Hier spielen tatsächlich die Gene die entscheidende Rolle: Es gibt einfach Menschen, die genetisch bedingt anfälliger sind für Suchtverhalten. Bei Kokain werden zum Beispiel nur 21 % der Personen, die Kokain probieren auch süchtig danach. Bei Alkohol sind es nur 23 %. Und selbst bei Zigaretten werden nur 2/3 der Gelegenheitsraucher auch Nikotinsüchtig. Bei Übergewicht führen die Gene nicht dazu, dass man mehr Fett ansetzt, sie führen dazu, dass man mehr Kalorien zu sich nimmt, als man verbraucht.

Das Fazit ist: Wir wissen nicht genau, was zu Übergewicht führt, wir wissen nur eines: Es ist nicht Deine Schuld!

 

Foto von SHVETS production

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