Glutenfrei

Sich glutenfrei zu ernähren scheint im Moment geradezu hipp zu sein. Aus medizinischer Sicht sind die Zöliakie, eine echte Weizenallergie und die „Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität (NCWS)“ Gründe, auf Gluten zu verzichten. Die Häufigkeit, mit der diese Erkrankungen in der Bevölkerung auftreten, liegt in Deutschland bei ca. 0,3 % und ist seit Jahren unverändert [1]. Dennoch geben bei Umfragen in Deutschland 9 % der Befragten und in den USA sogar 25 % an, auf Gluten zu verzichten. Zu erkennen ist dies auch am Boom der glutenfreien Produkte in den Supermarktregalen. Warum ist das so?

Eine Recherche bei Google zeigt, dass das Interesse am Begriff „Gluten“, bzw. „Glutenfrei“ sich in den letzten 15 Jahren mehr als vervierfacht hat, während die Diagnose „Zöliakie“ unverändert häufig gesucht wird:

Was hat das Gluten verbrochen, dass es so in Misskredit geraten ist? Es soll dafür verantwortlich sein, dass wir alle immer dicker und träger werden. Dies kann u. A. daran liegen, dass die Symptome einer Zöliakie zum Teil wenig spezifisch sind:

  • Verdauungsbeschwerden
  • Migräne und Depression
  • Taubheitsgefühl in Armen und Beinen
  • Autoimmunerkrankungen (Schilddrüse, Rheuma)
  • Fibromyalgie und
  • Ständige Müdigkeit

Ein Verzicht auf glutenhaltige Produkte führe zu einem flachen Bauch, einer Gewichtsabnahme, einer schöneren Haut und einer gesteigerten Leistungsfähigkeit.

Grundsätzlich ist es durchaus möglich, dass es zu einer Zunahme der Unverträglichkeiten von Gluten, bzw. Weizenprodukten kommt: In den letzten 40 Jahren hat sich in westlichen Ländern die Aufnahme von Gluten ungefähr verdreifacht [2]- Dies ist nicht nur darauf zurück zu führen, dass mehr Gluten den Backwaren zugefügt wird – hier hat es einen positiven Effekt auf die Struktur z. B. des Brotes – sondern dass Weizenproteine auch in Marmeladen, Kindernahrung, Tütensuppen und Eiscremes zum Einsatz kommen. Ungefähr ein Drittel der Produkte in einem Supermarkt enthält Weizen. Durch den ständigen Kontakt können natürlich auch Allergien ausgelöst werden. Auch sind die Möglichkeiten der Diagnostik besser geworden und somit werden mehr Betroffene erkannt.

Glutenfrei

Zöliakie, Weizenallergie und NCWS

Das Risiko, eine Zöliakie zu besitzen ist am größten, wenn man Verwandte 1. Grades hat, die von Zöliakie betroffen sind und bei Personen mit Diabetes mellitus Typ 1, Autoimmunthyreoiditis oder Trisomie 21.
Eine echte Zöliakie wird mittels Laboruntersuchung (IgA Antihuman tissue tansglutaminase test, tTG oder iGA endomysial antibody immunofluorecence test, EmA) sowie über einen histologische Sicherung (Darmspiegelung) nachgewiesen. Auch eine DNA-Analyse kann eine Zöliakie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen.

Eine Weizenallergie äußert sich durch Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall. Aber auch andere Allergische Reaktionen wie Hautausschläge oder Atembeschwerden („Bäckerasthma‘) können auftreten. Auch hier sind neben dem Hauttest („Pricktest“) Blutuntersuchungen zum Nachweis der Allergie möglich.

Die „Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität (NCWS)“ ist ein relativ neues Krankheitsbild, das sich nicht durch spezielle Untersuchungen sichern lässt. Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose, wenn weder eine Zöliakie noch eine Weizenallergie nachgewiesen werden konnten. Gesichert wird die Diagnose letztendlich durch einen kompletten Verzicht auf Weizen und einem anschließenden Provokationstest unter kontrollierten Bedingungen.

Warum ist die genaue Diagnostik vor dem Verzicht auf Gluten so wichtig?

Aktuelle Studien zeigen, dass Menschen, die sich Gluten frei ernähren, einen um 47 % erhöhten Quecksilber- und einen um 70 % erhöhten Arsenspiegel in Blut und Urin haben. Die Werte für Cadmium und Blei sind um 23 %, bzw. 25 % erhöht!

Ein Grund hierfür kann sein, dass glutenfreie Produkte einen hohen Anteil an Reismehl aus ungeschältem Reis enthalten. Arsen und Schwermetalle reichern sich besonders in der Schale von Reis an. Normalerweise wird die Schale vor dem Verarbeiten entfernt, so dass geschälter Reis ca. 10- bis 20-mal weniger schädliches Arsen enthält.
Des Weiteren ist eine glutenfreie Ernährung arm an Folsäure, Vitamin B12 Vitamin D, Eisen, Zink, Magnesium und Kalzium [3]

Für Menschen, die an einer Zöliakie leiden, gibt es Möglichkeiten, diesem Mangel, bzw. der Aufnahme von Schwermetallen entgegen zu wirken. Hierzu müssen aber hochwertige Ersatzstoffe eingenommen werden (Weizen, Dinkel und Roggen durch Samen und Nüsse, stärkehaltige Wurzeln und Knollen (Kartoffeln, Süßkartoffeln, Maniok), glutenfreien Hafer, Quinoa, Amaranth oder Buchweizen ersetzen und auf eine ausreichende Zufuhr von Gemüse, Fleisch und Fisch achten). In der Realität setzt sich eine glutenfreie Ernährung häufig aus hochverarbeiteten Produkten zusammen, die konventionelle Produkten wie Brot, Nudeln, Gebäck und Kuchen nachempfunden sind. Wenn es keinen medizinischen Grund gibt, sich Gluten- oder Weizenfrei zu ernähren, ist bisher kein medizinischer Nutzen für eine solche Ernährung gefunden worden und es fragt sich, wieso so viel Geld mit dem Attribut „Glutenfrei“ verdient werden kann. [4]


[1] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21070098
[2] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23311690
[3] Vici G; Clin Nutr 2016; 35:1236
[4] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352364617300639

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