Bariatrische Operationen werden zunehmend bei Frauen im gebärfähigen Alter vorgenommen. Grundsätzlich sind Schwangerschaften nach einer Schlauchmagen- oder einer Magenbypass-Operation sicher und oft ermöglicht die Gewichtsabnahme nach einem solchen Eingriff aufgrund der vielfältigen hormonellen Mechanismen überhaupt erst das Zustandekommen einer Schwangerschaft.

Bei diesen Frauen besteht allerdings, wie bei allen bariatrisch operierten Patienten, ein höheres Risiko für einen Nährstoffmangel und Unterzuckerungen. Daher sind, vor allem bei den Kinderwunschpatientinnen die Aufklärung über mögliche Komplikationen und eine Anleitung darüber sehr wichtig, welche Nahrungsmittelergänzungen eingenommen werden sollten. Diese Substitution sollte bereits vor der Schwangerschaft starten. Bei einer Schwangerschaft nach Adipositas-OP gibt es in den verschiedenen Phasen der Schwangerschaft und auch in der Stillphase Unterschiede, die beachtet werden sollten.
Die hier aufgeführten Informationen sollten auf jeden Fall immer in Rücksprache mit den betreuenden Gynäkologinnen und Gynäkologen erfolgen. Gerade bei der Einnahme der Vitamine kann es manchmal insbesondere in der Frühschwangerschaft Gründe geben, diese nicht einzunehmen!

Wie eine Adipositas-OP bei unerwünschtem Kinderwunsch helfen kann, haben wir bereits in diesem Artikel erläutert.

Wieviel Zeit sollte zwischen einer Operation und einer Schwangerschaft liegen?

Die Fachgesellschaften empfehlen zurzeit, nach einer bariatrischen Operation ein bis zwei Jahre mit einer Schwangerschaft zu warten*. Auf jeden Fall sollte bis zur Gewichtsstabilisierung gewartet werden. Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Wirkung oraler Kontrazeptiva (Pille) insbesondere nach Bypass-Operationen nicht sicher gewährleistet werden kann. Hier ist auf langwirkende reversible Kontrazeptiva auszuweichen (z. B. Implantate).

VOR der Schwangerschaft:

  • Übliche Jahreskontrolle + Vitamin A, C
  • Vitamin B12, Vitamin D, Folsäure
  • Blutbild, Eisenstatus
  • Calcium, Magnesium
  • Parathormon, TSH
  • HbA1c, Nüchternblutzucker
  • Albumin

Labor:

Aufsättigung von Vitamin A (Vit. A Kps 30.000E 1x / Woche p.o.) und 20.000 iE Vitamin-D (entsprechend 20 mg Colcalciferol) 1 x wöchentlich erfolgen (z. B. Dekristol 20.000 iE). unter sicherer Kontrazeption (embryotoxisch!), ggf. Vitamin-D-Spiegel bestimmen und Dosis anpassen. Bei fast 50% der bariatrisch Operierten liegt ein Eisenmangel vor. Dieser sollte möglichst schon vor der Schwangerschaft ausgeglichen werden. Die orale Aufnahme von Eisen kann durch zusätzliche Gabe von Vitamin C verbessert werden. Im ersten Schwangerschaftsdrittel sollte keine Eisengabe über Infusionen erfolgen.

Beginn Folsäuresupplementation 5 mg p. o. 1-0-0

In der Schwangerschaft:

1. Schwangerschaftsdrittel (Trimenon):

Labor: alle 3 Monate bei Fehlen eines Mangels, sonst alle 4 Wochen

2. Schwangerschaftsdrittel:

SchwangerschaftsdiabetesWie 1. Trimenon, zusätzlich Fetale Sonographie: alle 4 Wochen ab 24. SSW (Biometrie zur Wachstumskontrolle, Doppler z. A. Plazentainsuffizienz)

Gewichtszunahme (Ziel):

  • BMI 19.8-26 kg/m2 = 11,5 – 16 kg
  • BMI 26.1-29 kg/m2 = 7-11 kg
  • BMI>30kg/m2 = 7 kg
  • BMI > 35 kg/m2 = keine Zunahme
  • Zwillinge = 16-20 kg, wenn trotz glaubhaft ausreichender Ernährung keine Gewichtszunahme erreicht wird, nicht weiter forcieren.

3. Schwangerschaftsdrittel

Wie im 2. Trimenon, zusätzlich Monitoring des Glukosespiegels zwischen der 24. und 28. SSW (siehe unten).

Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes):

Normalerweise wird zum Feststellen eines Schwangerschaftsdiabetes ein Test gemacht, bei dem eine bestimmte Menge Zuckerlösung getrunken wird. Danach wird in bestimmten Abständen der Blutzucker gemessen, um festzustellen, ob die Reaktion des Körpers auf die Zuckerbelastung normal ist. Dieser Test wird „oraler Glukose Toleranztest (oGTT)“ genannt. Ein normaler 75 g oGTT kann zu Dumpingsyndrom führen. Procedere: bei Risikopatientinnen Nüchtern-Glucose 4-wöchentlich ab 14. SSW, bei allen Pat. 24.-28. SSW Bestimmung nüchtern- Glucose + 1h/2h pp Glucose nach reichhaltigem Frühstück. Gegebenenfalls sollte dann noch eine Überprüfung mittels kontinuierlicher Glukosemessung (CGMS – Freestyle libre) erfolgen.

Gastrointestinale Komplikationen:

Immer notfallmässige Mitbeurteilung durch bariatrisch erfahrene Chirurgen / betreuende Chirurginnen bei abdominellen Beschwerden / unklarem Fieber / Erbrechen. Bei erhöhten Triglyceriden an Pankreatitis denken. Bei Erbrechen im Rahmen der Schwangerschaft kann es schnell zu einem Mangel an Vitamin B1 (Thiamin) kommen, was schwerwiegende neurologische Schäden verursachen kann.

Substitutionen / Medikation IN der Schwangerschaft:

  • z. B. Elevit® 1 & 2 – 1-0-0 p.o. (ab SS-Wunsch bis Geburt)
  • Folsäure Tbl. 5mg, Tbl. – 5 mg p.o. (bis 12.SSW unabh. von Folsäurespiegel)
  • Vitamin B12 1000 ug s.c. Amp. – 1000 ug s.c. 1x/Monat bis Spiegel in der Norm**
  • Vitamin D3 – 2000 iE p.o (=2 Tabl.) alle 2-3 Mt je nach Spiegel
  • Calcimagon D3 1000 – 1-0-0 (max. 1500 mg Ca./d – max. 600 iE D3/d)
  • Ferinject Amp. 500mg/10ml – bei Ferritin < 30ug/l 15mg/kg iv; max. 1000mg i.v. (kontraindiziert im ersten Trimenon!)***
  • Zink verla Filmtabl. 20mg – 1-0-0
  • Magnesium 100 mg – 1-3 x tgl. bei subnorm. Werten od. Symptomen (z. B. Krämpfen); NW: laxativ

Stillzeit:

Labor alle 3 Monate bei Fehlen eines Mangels, sonst alle 4 Wochen inkl. Fortführung der Supplementation (Elevit, Vitamin B12, Vitamin D, Calcimagon D3, Ferinject, Zink).

Hintergrundinformationen:

Konsequenzen einer bariatrischen OP für die Schwangerschaft:

  • Weniger Makrosomien, weniger Gestationsdiabetes, weniger Präeklampsien
  • Mehr SGA-Kinder (small for gestational age), mehr Kaiserschnitte & Frühgeburten (bei Schwangerschaften früh nach der Operation)
  • Verzögerung der Diagnosestellung bei bariatrischen Komplikationen (Erbrechen, abdominelle Schmerzen in der Schwangerschaft „normal“); Risiko v.a. während Wachstum d. Uterus, bei den Wehen, bei der Rückbildung

Funktionen der Vitamine / Spurenelemente und Folgen eines Mangels:

  • Vitamin A – Mangel in bis zu 10 % der Schwangerschaften. Durch Ausschaltung d. Duodenums** auch Malabsorption. Wichtig für Zelldifferenzierung und Proliferation, erforderlich für Lungenentwicklung und -reifung im 2. und 3. Trimester. Augen und Sehnerventwicklung; Mangel: Opticusdysplasie, Mikrophthalmie, Vit. A potentiell teratogen, daher Aufsättigung vor Beginn der Schwangerschaft.
  • Vitamin B-Komplex (B1, B6, B12) / Folsäure – Entwicklung des Neuralrohres
  • Vitamin B12 – Resorptionsstörung durch Achlorhydrie, Mangel an Intrinsic Factor, Malabsorption beim Kind: neurokognitive Störungen, Depressionen
  • Vitamin D- Mangel – Skelettmineralisationsstörungen beim Kind
  • Vitamin K- Mangel – erhöhtes Risiko für intrazerebrale Blutungen und Skelettmalformationen des Kindes
  • Kalzium – Knochensubstanz bei der Mutter, Mineralisation des fetalen Skeletts.
  • Magnesium – Supplementation reduziert Risiko für Präeklampsien, fetale Wachstumsstörungen und steigert Geburtsgewicht, reduziert frühzeitige Kontraktionen
  • Zinkmangel – erhöhtes Risiko für Frühgeburten, SGA, abnormale fetale Entwicklung, Spina bifida. Zinkmangel beim Stillen: Hautausschläge und Dermatitis, Gedeihstörungen.
  • Folsäuremangel – in der Frühschwangerschaft, v.a. bei BMI > 35kg/m2= Neuralrohrdefekte; sonst erhöhtes Risiko für Frühgeburten
  • Eisenmangel – Resorptionsstörung durch Achlorhydrie, Ausschaltung des Duodenums/prox. Jejunums**; Eisenmangelanämie bei der Mutter, Störung der neuralen Entwicklung beim Feten.

Gynäkologische S3-Leitlinie „Adipositas und Schwangerschaft“ bzw. Chirurgische S3-Leitlinie „Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen“
**nicht bei Sleeve-Gastrektomie / Schlauchmagen-Operation
*** nur bei eindeutiger Indikation (nachgewiesener Eisenmangel und Anämie), nicht im ersten Trimenon.

Danksagung:

Bei der Erarbeitung dieser Empfehlungen hat Frau Dr. Annick Horn vom Kinderwunschzentrum Altonaer Straße in Hamburg wertvolle Hilfe geleistet. Diese Empfehlungen sind für Fachkreise hier als PDF herunterladbar.

Bildquelle: Pexels

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